Hat die Schweiz ausreichend vorgesorgt, um diese Krise zu meistern?
Kessler: Im Gegensatz zu Corona ist die Energiekrise nicht überraschend gekommen. Sie hat sich bereits im vergangenen Jahr mit steigenden Preisen angekündigt. Bund, Kantone aber auch die Unternehmen hatten und haben immer noch Zeit, sich auf die verschiedenen Szenarien vorzubereiten.
Wichtig ist festzuhalten, dass wir zurzeit zwar durchaus eine Energiekrise, aber keinen Energiemangel haben. Die Versorgung mit Strom und Gas ist aktuell sichergestellt. Der Bund hat bereits verschiedene Massnahmen zur Versorgungssicherheit ergriffen. Der Kanton wiederum hat den Stab Energie eingesetzt und zuletzt umfassende Energiesparmassnahmen für die kantonale Verwaltung angeordnet, mit dem Ziel eine Reduktion von 25% zu erreichen.
Sala: Die Strombranche warnt schon lange davor, dass die Projektionen über die Stromverbräuche aus Bundesbern zu optimistisch sind. Vor allem im Winter hat die Schweiz zu wenig eigene Stromproduktion. Durch die Elektrifizierung bei den Personenwagen und die Umstellung von fossilen Heizungen auf Wärmepumpen hat der Stromverbrauch weiter zugenommen. Effizienzsteigerungen wurden durch die gute Konjunktur – und damit steigenden Stromverbrauch – wieder zunichte gemacht. Insofern müssen wir alles tun, was in unseren Möglichkeiten ist, um mehr Strom zu produzieren und gleichzeitig weniger zu verbrauchen.
Mal ganz weg vom Thema Krieg und Krise: Könnten wir die hohen Energiepreise auch als Chance sehen, um bewusster mit Energie umzugehen und so dem Klimawandel entgegenzutreten?
Kessler: Die aktuelle Krise kann tatsächlich zu einem beschleunigten Umbau der Energieversorgung führen und bedeutet damit langfristig eine Chance. Weg von den Fossilen ist nicht nur gut für das Klima, sondern stärkt die Unabhängigkeit der Schweiz, was angesichts der aktuellen geopolitischen Lage mehr als wünschenswert wäre. In diesem Sinne wäre grundsätzlich ein höherer Energiepreis hilfreich, weil dies die Wirtschaftlichkeit vieler Energieprojekte erhöht und gleichzeitig den effizienteren Umgang mit Energie fördert. Doch klar ist auch, dass viele Haushalte und Unternehmen zuerst einmal die aktuelle Situation meistern müssen – und das ist nicht leicht.
Sala: Ja, ich sehe darin ebenfalls auch eine Chance. Wie gesagt werden sich Energiesparmassnahmen bei den höheren Marktpreisen viel schneller amortisieren als zu den historisch tiefen Energiepreisen der vergangenen Jahre. Das wird sicher Investitionen in effiziente und intelligentere Systeme und Anlagen auslösen. Da kann die Schweiz mit ihrer innovativen und starken Wirtschaft und der guten Kaufkraft sicher überproportional profitieren.
Wir müssen als Gesellschaft darüber hinaus aber auch lernen, dass wir nicht den Fünfer und das Weggli haben können. Der Klimawandel lässt sich nicht mehr leugnen. Wir können nicht mehr hoffen, dass die Energiewende sich von selbst einstellt und finanziert. Wir müssen es wollen und Lösungen suchen.
Das war der 2. Teil des Berichts, Sie können hier den ganzen Bericht lesen.