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7. September 2023 – Waren Sie schon einmal in einem Serverraum? Ziemlich warm da. Die Verarbeitung und Speicherung von Daten in Rechenzentren braucht bekanntlich sehr viel Strom. Dabei entsteht Abwärme, die für das Heizen von Gebäuden, für Warmwasser oder für gewerbliche und industrielle Zwecke genutzt werden könnte. Dies geht aus einer neuen Studie im Auftrag von EnergieSchweiz hervor.
Hoher Strombedarf
Bereits 2019 schätzte das Bundesamt für Energie BFE den Stromverbrauch der Schweizer Rechenzentren auf 2,1 Terawattstunden (TWh). Das macht 3,6 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs aus – Tendenz steigend, denn die Schweiz erweist sich als attraktiver Standort für grosse Rechenzentren. In den letzten Jahren wurden gleich mehrere gebaut. Es entstehen nicht nur mehr, sondern flächen- und leistungsmässig auch grössere Rechenzentren. Bis 2026 dürften sie jährlich bis zu 3,5 TWh Strom für sich beanspruchen.
Ungenutztes Potenzial
So ein Rechenzentrum läuft ununterbrochen. Die anfallende Abwärme bewegt sich deshalb auf einem konstanten Niveau und stellt eine zuverlässige Wärmequelle für die Abnehmer dar. Die Energie könnte dadurch mehrfach genutzt werden. 2019 nutzten gemäss der damaligen Studie des BFE nur 35 Prozent der Rechenzentren die Abwärme. Das Potenzial wird also längst nicht ausgeschöpft. Andrea Grüniger, eine der Autorinnen der aktuellen Studie von EnergieSchweiz, erklärt, warum das so ist: «Um Abwärme zu nutzen, braucht es geeignete Abnehmer und diese müssen in der Nähe des Rechenzentrums sein. Wärme ist deutlich schwieriger beziehungsweise teurer zu transportieren als zum Beispiel Strom. Wenn die Abnehmer nicht intern oder in unmittelbarer Nähe sind, müssen thermische Netze gebaut werden und in der Regel muss das Temperaturniveau der Abwärme noch mit einer Wärmepumpe angehoben werden, damit sie zu Heizzwecken verwendet werden kann. Um die Abwärme nutzbar zu machen, braucht es also grössere Investitionen.» Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Lebenszyklen: Der eines Rechenzentrums beträgt 10 bis 15 Jahre, der eines Wärmenetzes 30 bis 40 Jahre. Das wirft die Frage auf, wie lange man sich auf die Abwärme verlassen kann. Wenn Energieversorger so massiv in Wärmenetze investieren, sollte die Wärmequelle möglichst lange verfügbar sein.
Überzeugungsarbeit und Sensibilisierung
Damit die notwendigen Wärmenetze gebaut werden können, braucht es Überzeugungsarbeit auf politischer Ebene. Bund und Kantone müssen die Rahmenbedingungen verbessern, Gemeinden haben eher eine koordinative und sensibilisierende Aufgabe. Ziel muss sein, dass Rechenzentren bei der Energieplanung als möglich Wärmequellen bedacht werden. Was aber, wenn die Wärmequelle Rechenzentrum aufgrund des kürzeren Lebenszyklus irgendwann ausfällt? Grüniger sagt dazu: «Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Risikoabsicherung für thermische Netze, die unter anderem den unerwarteten Wegfall einer Energiequelle abdecken würde, ist im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes aktuell in Diskussion. Dies wäre immens wichtig, um den Ausbau thermischer Netze und somit auch die Nutzung von Abwärme generell voranzutreiben. Es würde die Entscheidung für eine Abwärmenutzung definitiv fördern.» Private Versicherungslösungen seien weitere Möglichkeiten, wichtig seien aber in jedem Fall Risikoanalysen und die Prüfung alternativer Energiequellen für den Ausfall der Abwärme.
2017 schrieb Kiran Bhageshpur im Economist, Daten seien das neue Öl. Ob er damals auch daran gedacht hat, dass sie irgendwann – indirekt – sogar Heizöl ersetzen könnten?