Die Energiesysteme haben sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Wie genau, darüber gibt eine umfangreiche Studie Auskunft. Sie nimmt dabei die Leserschaft mit auf eine spannende Zeitreise durch die vergangenen rund 200 Jahre Schweizer Energiegeschichte.

Am Anfang war das Pferd, und das Pferd war beim Menschen, und das Pferd lieferte die Energie für mancherlei Arbeit des Menschen. Zumindest früher. Heute gibt es in der Schweiz über 55 000 Pferde, und rund 8 500 Pferdehalter. Die «Entpferdung» der Arbeitswelt muss irgendwann vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Aufstieg von Elektrotram und Automobil eingesetzt haben. Seitdem ist es quasi in den historischen Ruhestand getreten, fristet allenfalls als Sport- und Therapiegerät oder als  Prestigesymbol der Upperclass sein Dasein. Allerdings nicht ohne seine (sprachlichen) Spuren als «PS» (Pferdestärke) hinterlassen zu haben.

Was genau in den vergangenen rund 200 Jahren beim Energiewandel geschehen ist, dafür interessiert sich die Studie «Energieregime in der Schweiz seit 1800». Die im Auftrag des Bundesamts für Energie im Rahmen des Forschungsprogramms Energie-Wirtschaft-Gesellschaft erstellte Studie nimmt die Leserschaft mit auf eine Zeitreise in mehreren Etappen.

Insgesamt sechs so genannte «Energieregime» haben die Autoren, Prof. Dr. Patrick Kupper (Bild) und Irene Pallua vom Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie der Universität Innsbruck, identifiziert. Für jedes dieser Energiezeitalter stellen sie die Triebkräfte, Akteure, die Etablierung neuer Infrastrukturen, den Energiekonsum und die Energieversorgung sowie die gesellschaftlichen Konstellationen vor. Dabei löst ein Regime ein vorhergehendes nicht einfach ab, sondern überformt dieses.

Die sechs Energieregime seit 1800

  • Das traditionelle Energieregime (um 1800): Der Industrialisierungsprozess in der Schweiz wird an der Wende zum 19. Jahrhundert durch den Rückgriff auf Wasserkraft und auf billige, aber qualitativ hochstehende Arbeitskraft sowie auf Holz in Gang gesetzt.
  • Das Kohleregime (nach 1860): Mit der Eisenbahn wird der Kohleimport möglich, einhergehend mit einer starken Importabhängigkeit und einem doppelten Umstieg auf nicht-erneuerbare und nicht-lokale Energieträger.
  • Das Wasserkraftregime (um 1900): Der Aufbau der auf der inländischen Wasserkraft basierenden Elektrizitätswirtschaft erfordert hohe Investitionen und vernetzte Infrastrukturen, welche die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts tief prägen.
  • Das Erdölregime (ab 1920): Mit der Automobilisierung beginnt der Um- und Ausbau der Energieversorgung auf Erdölbasis bis zum Höhepunkt um 1970: Der Bruttoenergieverbrauch wird Anfang der 1970er-Jahre zu fast vier Fünfteln mit Erdöl gedeckt.
  • Das Atomenergieregime (ab 1945): Die Atomenergie verspricht zunächst, alle bestehenden und zukünftigen Energieprobleme zu lösen, und materialisiert sich letztlich im Bau von schon sehr bald umstrittenen Atomkraftwerken.
  • Das vorerst letzte Energieregime (ab 1970): Vor dem Hintergrund der fortdauernden Dominanz von Erdöl und Atomenergie beginnen Diskussionen um Energiesparen, Energieeffizienz und alternative Energieträger. Eine Diversifizierung der Energieversorgung und ein Umbau in Richtung nachhaltiger Entwicklung werden angestrebt, die sich bislang aber erst in Ansätzen ausbilden konnten.

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