
Adobe Stock / Ingo Bartussek
19.10.2023 – Allein bei der Zementherstellung entstehen rund sieben Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit. Forschende arbeiten deshalb intensiv daran, diese Emissionen mit innovativen Baumaterialien und -technologien zu senken. Einer der Wege zum sauberen Bauen ist ein schlammiger: Ellina Bernard vom «Beton & Asphalt»-Labor der Empa in Dübendorf untersucht derzeit das Potenzial von Lehm als nachhaltiger Baustoff. Denn im Vergleich zu Beton setzt Lehm deutlich weniger CO2 frei. Zudem ist er nahezu unbegrenzt verfügbar, wiederverwertbar und lässt sich gut verarbeiten.
Erdige Paste für tragende Wände
Das Potenzial der Beton-Alternative wäre gewaltig, möglich sind beispielsweise auch tragende Wände in Gebäuden. Dabei kann flüssiger Lehm in einer Verschalung verwendet werden oder gepresster Lehm in Form von vorgefertigten Bausteinen. Diese luftgetrockneten Lehmziegel haben eine viel bessere Energiebilanz als gebrannte Backsteine.
Bis Lehm im grossen Stil verbaut werden kann, bleiben aber noch einige Fragen zu klären. Zum einen ist seine geologische Zusammensetzung überall auf der Welt unterschiedlich, was eine standardisierte Herstellung und Verwendung erschwert. Zum anderen muss dem Lehm derzeit noch herkömmlicher Zement beigemischt werden, damit ein stabiles und haltbares Baumaterial entsteht. Dadurch verschlechtert sich der ökologische Fussabdruck des Lehms jedoch wieder deutlich. Empa-Forscherin Bernard will das Material deshalb genau ergründen, Standards für seine Zusammensetzung und die mechanische Belastbarkeit definieren und so ein Baumaterial für die industrielle Anwendung entwickeln. Für dieses ehrgeizige Vorhaben wird die Empa-Forscherin mit einem der begehrten «Ambizione»-Grants des SNF gefördert.
Die sanfte Kraft von Magnesium
Im Gegensatz zu Zement, den chemische Bindungen zusammenhalten, gehen die feinen Tonmineralien im Lehm bei der Lufttrocknung physikalische Bindungen ein. Eine Stabilität wie die von Beton ist auf diese Weise nicht zu erreichen. Darum sucht die Forscherin nach einem stabilisierenden Bindemittel. Ein vielversprechender Kandidat ist Magnesiumoxid. Bei nachhaltiger Gewinnung hat es eine hervorragende Klimabilanz. Zudem verkürzt Magnesiumoxid die Trocknungszeit, wirkt der Klumpenbildung im Lehm entgegen verändert die vorteilhafte Mikro- und Nanostruktur der lehmigen Elementarteilchen kaum.
In ersten Laborexperimenten erreicht das Team mit verschiedenen Lehm-Rezepturen bereits eine Druckfestigkeit von bis zu 15 Megapascal - ein Vielfaches von unbehandeltem Lehm. Zum Vergleich: Lehm mit Zementzusatz erreicht bis 20 Megapascal.
«Das ist aber erst der Anfang», sagt Ellina Bernard. Um den Nutzen von Lehm als Baumaterial ganzheitlich beurteilen zu können, müssen die Laborexperimente an der Empa jetzt durch Lebenszyklusanalysen ergänzt werden, welche die Haltbarkeit, den Rückbau und die Wiederverwertung des Materials erfassen.