Wohlige Wärme im Haus

Ausser Brennholz und Wasserkraft verfügt die Schweiz über wenige klassische Energieressourcen. Öl, Gas, Kohle, nukleare Brennelemente und im Winter sogar Elektrizität müssen importiert werden. Kein Wunder, dass man sich um die künftige Wärmeversorgung Gedanken macht.

Eigentlich ist das Mehrfamilienhaus in der Zürcher Bolleystrasse 35 ein schlichter Betonbau. Dennoch hat es das «B35» zu einiger Bekanntheit gebracht. Denn das 2011 errichtete Gebäude versorgt sich selbst, im Winter mit Wärme und im Sommer mit Kühlung. Es gehört dem mittlerweile emeritierten ETH-Professor Hansjürg Leibundgut, der hiermit beweisen will, dass sein «Exergie»-Konzept auch in der Praxis funktioniert. Exergie stehe für die Betrachtung der Gesamtenergie eines Systems, erläutert Leibundgut. Denn mittels Erdsonden schickt das B35 die Wärme des Sommers, die unter anderem über Solarmodule gewonnen wird, 350 Meter tief ins Erdreich, das sich dadurch erwärmt. Im Winter wird diese Energie über eine Wärmepumpe zurückgeholt und zum Heizen genutzt. Städte als Energiespeicher? Erdwärme wird in der Schweiz zwar schon länger genutzt, die Systeme können aber das Erdreich über Jahre hinweg auskühlen, sodass sie teilweise sogar einfrieren. Bei Leibundguts Erfindung, die unter dem Namen «2Sol» schon in mehreren Gebäuden läuft, soll der Energiekreislauf geschlossen bleiben. Die Erde unter ganzen Städten könnte man auf diese Weise sogar als Wärmespeicher nutzen, so die Vision des Professors.

Was in Schweizer Seen steckt

Für Schlagzeilen hatte kürzlich noch eine andere Idee gesorgt: In den Schweizer Seen schlummere die Energie von 60 Kernkraftwerken, hatte Alfred Wüest, Professor an der EPFL Lausanne, errechnet. Auch seine Idee beruht auf der Wärmepumpen-Technologie. Die konstante Temperatur in grossen Tiefen könnte damit in Heiz- und Kühlenergie für Gebäude umgewandelt werden. Getestet wird dies bislang etwa am Genfer See.

In der Tat feiern Wärmepumpen einen Siegeszug in Schweizer Haushalten, vor allem im Neubau. Im Jahr 2000 waren erst vier Prozent aller Wohngebäude damit ausgestattet, 2013 schon fast elf Prozent. Ein Problem der Wärmepumpe: Sie braucht recht viel Strom. Doch auch hier gibt es Innovationen. Im Projekt «Thrive» entwickeln unter anderem Empa und ETH Zürich eine Adsorptionswärmepumpe, die mit Abwärme statt Strom doppelt so effizient sein soll.

Von Holz bis Brennstoffzelle

Gleichzeitig schicken sich weitere Technologien an, die Wärmeversorgung zu revolutionieren. Erste Häuser laufen seit Kurzem mit Brennstoffzellen-Heizungen, die Gas gleichzeitig in Wärme und Strom umwandeln, Blockheizkraftwerke finden Verbreitung und im ländlichen Raum Wärmeverbunde mit zentraler Holzheizung.

Doch bei aller Innovationskraft geht ein solcher Wandel nur langsam vonstatten. Die Ölabhängigkeit hat sich seit den 70er-Jahren zwar reduziert, doch nach wie vor läuft in jedem zweiten Schweizer Haushalt eine Ölheizung. Hinzu kommen 15 Prozent Gas- und 10 Prozent Elektroheizungen. Auch 2030 bleiben Öl und Gas noch «das Rückgrat der Wärmeversorgung », prognostiziert die Shell-Hauswärmestudie.

Energiehunger wächst

Visionären wie Leibundgut dauert das zu lange. Die Klimaveränderung erfordere eine rasche Substitution fossiler Brennstoffe. Denn Gebäudeheizungen sind laut Schweizer Bundesamt für Umwelt für 40 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig wächst der Energiehunger in der Schweiz – um 13 Prozent seit 1990. Die Welt wird laut BP Energy Outlook in 20 Jahren 37 Prozent mehr Energie verbrauchen als heute, aber nicht durch Europa getrieben, sondern durch Länder wie China und Indien.

Jürgen Baltes

Mit diesen Energieträgern wird geheizt

(nach Gebäuden, Anteile in Prozent)

Öl ist nach wie vor der dominierende Energieträger, wenn es ums Heizen geht. In fast jedem zweiten der knapp 1,7 Millionen Wohngebäude der Schweiz steht noch eine Ölheizung. Doch die Bedeutung des Öls sinkt seit Jahren kontinuierlich, ebenso wie die der Elektroheizung. Stattdessen machen Gas, Fernwärme und vor allem die Wärmepumpe Boden gut. In Deutschland dagegen liegt Gas mit 46 Prozent deutlich vor Öl (26 Prozent).
Quelle: Statistik Schweiz

Ein Blick zurück …

Susanne Meier (70)
Susanne Meier (70)

Morgens Kohle schaufeln

«Gemütlich» hat Susanne Meier die Winter ihrer Kindheit in Erinnerung. Denn im Nachkriegshaus, in dem die 70-Jährige aufgewachsen ist, gab es neben dem Kachelofen schon eine Zentralheizung. Allerdings mit Kohle.

Frau Meier, wie wurde Ihr Elternhaus geheizt?
Susanne Meier: Mit Holz und Kohle. Unser Familienhaus in Steckborn am See war damals ganz neu, es wurde 1946 gebaut. Wir hatten Heizkörper in allen Zimmern.

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